Marschflugkörper
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Ein Marschflugkörper (engl. cruise missile) ist ein unbemannter Flugkörper mit einem Sprengkopf, der sich selbst ins Ziel steuert. Er unterscheidet sich von einer ballistischen Rakete durch den permanenten Antrieb während des gesamten Fluges sowie durch den aerodynamischen Flug, häufig unterstützt durch Tragflächen - im Unterschied zu taktischen und strategischen Boden-Boden-Raketen. Marschflugkörper sind somit de facto unbemannte Flugzeuge bzw. Drohnen.
Die Navigation erfolgt meist durch eine Kombination von Trägheitsnavigation (IGS = Inertial Guidance System), Gelände-Kontur-Abgleich (en:TERCOM = Terrain Contour Matching), Zielgebiets-Bild-Abgleich (DSMAC = Digital Scene Matching Area Correlator) und Satellitennavigation, teils auch mit Unterstützung durch Radar.
Der Antrieb erfolgt im allgemeinen durch ein Strahltriebwerk, als Turbofan oder auch als Ramjet, teils auch durch Raketenmotoren, wie häufig bei schnellen Seezielflugkörpern.
Marschflugkörper können von U-Booten, Schiffen, Flugzeugen oder von Land abgeschossen werden und fliegen mit einer Höhe von 15 bis 100 Metern so niedrig, dass sie nur schwer vom gegnerischen Radar erfasst werden können. Auch für Infrarot-Sensoren sind sie auf Grund ihrer geringen Hitzeausstrahlung nur schwer erkennbar.
[Bearbeiten] Entwicklung
Bereits im ersten Weltkrieg hatte es mit dem Kettering Bug ein selbständig gesteuertes, unbemanntes "aerial torpedo" (Lufttorpedo) gegeben, das bei 250 kg Gewicht eine Reichweite von 70 km erreichte.
Vorläufer der modernen Marschflugkörper war die deutsche "Vergeltungswaffe" V1, die im Zweiten Weltkrieg für Angriffe auf London und Antwerpen genutzt wurde. Im Gegensatz zu den modernen Marschflugkörpern war dieser nur mit einem einfachen Autopiloten ausgerüstet, so dass ein zielgenauer Einsatz nicht möglich war.
In den 1950er Jahren entwickelten sowohl die USA als auch die Sowjetunion eine Reihe von Langstrecken-Marschflugkörpern mit interkontinentalen Reichweiten (USA: Snark (en), SM-64 Navaho (en); Sowjetunion: Burya). Technologisch besonders ehrgeizig war das US-Projekt Pluto, das ein nukleares Staustrahltriebwerk vorsah, um den Flugkörper mit Mach 3 im Tiefflug wochenlang über feindlichem Gebiet kreisen zu lassen, jedoch 1964 nach durchaus erfolgreichen Testläufen gestoppt wurde. Alle diese Projekte wurden durch die Einführung ballistischer Interkontinentalraketen (ICBM) obsolet und beendet.
Ab 1980 plante die NATO, die Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen vom Typ SS-20 mit der Stationierung von US-Marschflugkörpern und Pershing II-Mittelstreckenraketen zu beantworten, bei gleichzeitigem Abrüstungsangebot an die UdSSR. Gegen diesen 'NATO-Doppelbeschluss' entwickelten sich in den 80er Jahren Proteste in der europäischen Friedensbewegung und in der breiteren Öffentlichkeit.
Ab 1982 entwickelten die USA mit dem AGM-129 einen nuklear bestückten Marschflugkörper, der dank Stealth-Technologie auch von fliegenden sowjetischen Radarsystemen nur schwer entdeckt werden konnte. Nach Fertigstellung von 460 Stück wurde die Produktion im Jahre 1993 eingestellt, da sich 1990 mit der Sowjetunion der ursprüngliche Gegner aufgelöst hatte.
Moderne Marschflugkörper vom Typ Tomahawk und CALCM bildeten sowohl im zweiten als auch dritten Golfkrieg die jeweils erste Welle der US-amerikanischen Angriffe, um mit geringem Risiko für die eigenen Truppen die irakische Flugabwehr zu neutralisieren. Der Systempreis für die dabei eingesetzten seegestützten BGM-109-Tomahawk-Marschflugkörper lag zwischen 600.000 und 1 Mio. US-Dollar.
In den 1990ern begannen auch mehrere europäische Nationen mit der Entwicklung luftgestützter Marschflugkörper. Im Irak-Krieg 2003 setzte die Royal Air Force erstmals den britischen Marschflugkörper Storm Shadow ein, der in Zukunft auch von Frankreich und Saudi-Arabien in Dienst genommen wird.
Deutschland entwickelte gemeinsam mit Schweden den Marschflugkörper Taurus, der 2005 in die Serienproduktion ging.
Pakistan testete im August 2005 erfolgreich seinen Marschflugkörper vom Typ Hatf VII Babur mit einer Reichweite von 500 km, der mit Atomsprengköpfen bestückt werden kann.
Indien hat zusammen mit Russland den BrahMos Flugkörper entwickelt, der mit 3.000 kg Startgewicht und bis zu Mach 2,8 der aktuell größte und schnellste Marschflugkörper ist. Der erste Test fand im Juni 2001 statt, die Produktion begann 2004.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Cruise missile – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |