Musik für Violoncello
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In diesem Artikel wird die Entwicklung der Musik mit solistischem Violoncello chronologisch beleuchtet.
Inhaltsverzeichnis
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[Bearbeiten] 17. und 18. Jahrhundert
[Bearbeiten] Die Anfänge in Italien
Die ersten Werke, die für Violoncello geschrieben wurden, sind Solostücke. Häufig sind diese Kompositionen noch nicht für unsere heutige Stimmung (Musik) (C,G,d,a) geschrieben und somit heute nicht ohne weiteres auf jedem Cello spielbar.
Zu den ersten Komponisten, die sich mit dem Cello befassten, gehören u. a. Degli Antonii (1687 Bologna), Domenico Gabrielli und Giovanni Battista Vitalis, welche alle aus dem italienischen Raum kamen. Schon diese frühen Kompositionen waren spieltechnisch anspruchsvoll und stellten an den Musiker hohe Anforderungen. Musikalisch-künstlerisch hingegen war der Wert der Werke eher gering. Oft ist auch unklar, welchem Zweck sie dienten; nicht selten stellten sich die Kompositionen als Schulen, Übungen oder als erste Versuche, „mit dem Cello virtuos umzugehen“, heraus.
Als früheste begleitete Werke können das Basso solo, con basso continuo von Antonio Giannotti und Gabriellis vier Ricercari mit Generalbass (Erstfassung der Sonate G-Dur) gelten.
[Bearbeiten] Verbreitung und Entwicklung
Die stetige Entwicklung des Violoncellospiels mit seiner anfangs fast ausschließlichen Zentrierung auf Italien ließ in der Mitte des 17. Jahrhunderts eine große Anzahl von Solowerken mit basso continuo entstehen. Die meisten Sonaten wurden von Cellisten selbst geschrieben. Das Niveau der Sonaten ist sehr unterschiedlich. Es reicht von der barocken „Dutzendware“ bis hin zu virtuosen Kompositionen mit ausgefeilten melodischen und rhythmischen Strukturen, wobei auch die aus der Oper gewonnene Affektsprache mit Einzug hält.
Zu neuen spieltechnischen Mitteln, die im Laufe der Entwicklung zum Standard wurden, gehören u. a. Daumenaufsatz, Skalengänge, Arpeggien und Doppelgriffe, wie auch seltener Flageolett-Töne und saitenüberspringende Figuren. Diese technischen Neuheiten lassen sich bisweilen auch bei den Werken von Antonio Vivaldi (1678–1741) erkennen. Von dem Italiener liegen uns heute zehn Cello-Sonaten und einige Cellokonzerte aus seinem Spätwerk vor. Auch Domenico Scarlatti (1685–1757) sind drei Werke für Violoncello zu verdanken.
[Bearbeiten] Außerhalb Italiens
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist im nicht-italienischen Raum als erstes Georg Philipp Telemann (1681–1767) zu nennen. Dieser schrieb eine virtuose und facettenreiche Sonate in D-Dur. Dem beginnenden Cellospieler sind durch die zahlreichen leicht zu spielenden Duette und Sonaten auch Joseph Bodin de Boismortier und Willem de Fesch aus dieser Zeit bekannt.
Der große Bekanntheitsgrad der Sechs Suiten für Violoncello solo von Johann Sebastian Bach (1685–1750) ist auf die Wiederentdeckung und die erste bedeutende Interpretation durch Pablo Casals am Anfang des 20. Jahrhunderts zurückzuführen. Diese anmutigen und ausgewogenen Kompositionen sind von hochentwickelter kompositorischer und satztechnischer Fertigkeit (echte und latente Mehrstimmigkeit). Originale Handschrift und Entstehungsdatum sind bis heute unbekannt, das Werk überlebte jedoch durch vielerlei Abschriften wie der von Anna Magdalena Bach. Die Sechs Suiten gehören heute zu den bekanntesten virtuosen Kompositionen für Violoncello und werden auch dementsprechend häufig gespielt.
[Bearbeiten] Entwicklung des Cellokonzertes
Erste Versuche, dem Cello in einem kleinen Streicherensemble solistisches Profil zu geben, machten Giuseppe Jacchini und Evaristo Felice Dall'Abaco. In beiden Fällen kann aber noch nicht von einem Cellokonzert im späteren Sinne gesprochen werden.
Von Antonio Vivaldi, der nicht nur die Entwicklung der Cellokonzerte, sondern auch allgemein die des Instrumentalkonzerts sehr stark beeinflusste, sind 27 Cellokonzerte erhalten. Weitgehend von Vivaldi eingeführt und als gängige Methode weiterentwickelte Kennzeichen der Cellokonzerte sind die Dreisätzigkeit (schnell-langsam-schnell) und die Ritornellform, in welcher der 1. Satz fast komplett und meistens der letzte Satz geschrieben wurden.
[Bearbeiten] Die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts
Unter den in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstandenen Sonaten mit Generalbass sind als erstes die Werke von Luigi Boccherini (1743–1805) hervorzuheben. Die über 40 Cello-Sonaten waren hauptsächlich für seine eigenen Konzertabende bestimmt. Dies trifft auch für die meisten anderen Komponisten aus der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts zu, so dass sie häufig keinen größeren und längerfristigen Bekanntheitsgrad erreichen konnten. Jedoch fallen in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts auch die sechs Cellokonzerte von Joseph Haydn (Nr. 1 C-Dur, Nr. 2 D-Dur, Nr. 3 C-Dur (gilt als verloren gegangen), Nr. 4 D-Dur, Nr. 5 C-Dur, Konzert in g-Moll (verloren gegangen)).
Unter den Cellokonzerten italienischer Musiker aus dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts (u.a. Giovanni Battista Cirri, Luigi Borghi, Domenico Lanzetti) nehmen die von Luigi Boccherini wegen ihres melodischen Glanzes und ihrer spieltechnischen Brillanz eine besondere Stellung ein. Sie verlangen dem Spieler eine große Sicherheiten in den in hohen Lagen virtuos zu spielenden langen Passagen ab. Insgesamt sind von Boccherini zwölf Cellokonzerte bekannt. In der Form dreisätzig, variieren die Konzerte von einem durch barocke Elemente geprägten Stil bis hin zur Wiener Klassik, bleiben jedoch in der Harmonik deutlich einfacher. In der Besetzung reichen Boccherinis Werke von reinen Streicherkonzerten bis zu Streicher- und Bläserbesetzungen.
[Bearbeiten] Celloliteratur in Frankreich und Großbritannien
Zur französischen Celloliteratur des späten 18. Jahrhunderts gehört neben Kompositionen von Jean Balthasar Tricklir und Jean Baptiste Janson das A-Dur-Konzert von Jean Pierre Duport. Bekannt sind auch einige der sieben Cellokonzerten von Jean Baptiste Bréval, der neben einfachen Stücken auch oft Werke mit einigen technischen Schwierigkeiten schuf.
Unter den englischen Komponisten in der letzten Hälfte des 18. sowie der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind Joseph Reinagle, John Garth und Robert Lindley zu nennen.
[Bearbeiten] 19. Jahrhundert
[Bearbeiten] Erste klassische Sonaten
Der Sonatentypus für ein Melodieinstrument und Klavier, welchen wir heute als „klassisch” zu bezeichnen pflegen, wurde erst ab 1775 nach der Zeit des Generalbasses ausgeprägt. Diese neue Form wurde vor allem von Ludwig van Beethoven begonnen. Nach dem Vorbild seiner Sonaten für Klavier und Violoncello, welche eine bedeutende Gestaltungsform darstellten, schufen Komponisten im 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts über 150 Sonaten.
Zum festen Bestandteil der Celloliteratur gehört in jedem Fall auch die durch ihre eingängigen Themen gekennzeichnete Sonate in a-Moll von Franz Schubert, welche ursprünglich für Arpeggione geschrieben wurde. Da diesem Instrument (bauähnlich der Gitarre, Spielweise etwa gleich dem Cello) nur eine kurze Existenz beschieden war, nahmen sich später einige Bratschisten und Cellisten ihrer an und bewahrten sie so vor dem Untergang. Dabei zeigte sich allerdings, dass auf dem Cello die spieltechnischen Anforderungen enorm hoch sind.
Von großer Beliebtheit sind auch die beiden Sonaten für Violoncello und Klavier (e-Moll op. 38, F-Dur op. 99) von Johannes Brahms.
[Bearbeiten] 1er Concerto pour Violoncelle von Saint-Saëns
Zwei Cellosonaten schrieb auch Camille Saint-Saëns (1835–1921). Von größerer Bekanntheit ist aber sicherlich sein 1er Concerto pour Violoncelle op. 33 in a-Moll. Das Cellokonzert ist ein ganz klassisches, dreisätziges Werk (Allegro non troppo – Allegretto con moto – Un peu moins vite), welches 1872 entstand. Auf den ersten Blick scheint dieses Konzert einsätzig durchkomponiert zu sein, obwohl es sich in der inneren Struktur dann dreisätzig zeigt. Nach einer doppelten Exposition folgt ein ganz klassischer menuettartiger Mittelteil. Mit zwei neuen Themen geht es dann fließend in das Finale. Das kurze, scheinbar einfache Anfangsthema durchzieht aber, meistens nur mit den ersten sechs Tönen, das ganze, etwa zwanzigminütige Konzert und macht daraus ein geschlossenes Werk. Nach einem kurzen Tuttischlag des Orchesters setzt das Solocello mit seinen herabstürzenden Triolen schwungvoll ein. Das Allegro non troppo wird dann immer wieder von diesem Anfangsthema durchsetzt. Das kurze Thema erhält seinen Charakter durch die sehr schnellen und oft wiederholten abwärtsgerichteten Triolenläufe. In einem markanten „Poco animato“ beginnt ein schwungvoller Aufgang, der sich in einem Rallentando fängt und nun dem Orchester die Führung überlässt. In verschiedenen Versionen wiederholt sich noch einmal das Thema. In einem energischen, chromatischen Aufgang sammelt sich alles zu einem absoluten Höhepunkt, besinnt sich aber kurz davor und schwenkt um in gefühlvolle Melancholie. Nach einem starken Crescendo und einem kurzen Accelerando beginnt ein zweistimmiges „Animato“. Ähnlich einer Kadenz mündet das Ganze in einem „Allegro molto“. Obwohl nach der Zeit der Klassik geschrieben, spiegelt dieses Stück noch den vollen Glanz dieser Periode wieder.
In seiner formalen Gestaltung ähnlich einfallsreich ist das nicht ganz so bekannte zweite Cellokonzert Saint-Saëns´ (2e Concerto pour Violoncelle op. 119 in d-Moll), das sich aus zwei Sätzen zusammensetzt.
[Bearbeiten] Schwierigkeiten bei der Etablierung des Cellokonzertes
Es gelang nur wenigen Cellokonzerten außerhalb der Virtuosenliteratur, ähnlich wie das Konzert von Saint-Saëns einen unangefochtenen Platz in der Celloliteratur einzunehmen. Zu der geringen Zahl erfolgreicher Cellokomponisten zählen noch Robert Schumann, Pjotr Iljitsch Tschaikowski, Antonín Dvořák und mit Abstrichen Édouard Lalo, Eugen d’Albert sowie Max Bruch. Daran sieht man auch, dass eine Mehrzahl der bedeutenden Komponisten des 19. Jahrhunderts sich nicht dem Cello als konzertantem Instrument zugewandt haben. Eine klare Erklärung dafür gibt es nicht. Sicherlich könnte es aber damit zusammenhängen, dass das Violoncello auch nach der Mitte des Jahrhunderts weit weniger im Vordergrund des allgemeinen musikalischen Interesses stand, als etwa das Klavier oder die Violine.
Ein Hindernis mag die Unsicherheiten der Komponisten gewesen sein, für ein Instrument zu schreiben, dessen Spieltechnik und Klang sie nicht gut genug kannten. Die macht beispielsweise ein Brief von Johannes Brahms nach der Beendigung seines Doppelkonzertes für Violine und Cello an Clara Schumann deutlich:
Ich hätte den Einfall an sich jemandem abtreten sollen, der die Geigen besser kennt als ich… Es ist doch etwas anderes, für Instrumente schreiben, deren Art und Klang man nur beiläufig im Kopf hat, die man nur im Geist hört – oder für ein Instrument schreiben, das man durch und durch kennt, wie ich das Klavier, wo ich durchaus weiß, was ich schreibe und warum ich so schreibe und so schreibe…
Man kann schlussfolgernd annehmen, dass Schumann, Tschaikowsky und Dvorák ähnliche Gründe dazu bewogen haben, sich bei befreundeten Cellisten Rat zu holen.
[Bearbeiten] Komponisten für Violoncello im 19. Jahrhundert
[Bearbeiten] Robert Schumann
Robert Schumanns Konzert für Violoncello und Orchester in a-Moll op. 129, die erste bedeutende Komposition dieser Gattung, entstand im Oktober 1850 in Düsseldorf. Die technische Gestaltung der Solostimme erarbeitete sich Schumann mit dem Frankfurter Cellisten Robert Emil Bockmühl, welcher ihm als Korrespondent zur Seite stand. Auffallend an der Struktur des Werkes ist, dass es zwar in klassischer Dreisatzform gehalten ist, die Sätze jedoch ohne Pause ineinander übergehen.
[Bearbeiten] Robert Volkmann
Als wichtigstes Cellokonzert eines deutschen Komponisten zwischen Schumann und Brahms gilt das Konzert für Violoncello und Orchester a-moll op. 33 von Robert Volkmann, welches in den Jahren 1853 bis 1855 entstand. Es ist wie das erste Saint-Saëns-Konzert einsätzig, jedoch fasst es nicht wie dieses drei Einzelsätze zusammen, sondern entfaltet sich als ein großer Sonatensatz.
[Bearbeiten] Pjotr Iljitsch Tschaikowski
1876/1877 entstanden unter Pjotr Iljitsch Tschaikowskis Feder Variationen A-Dur für Violoncello und Orchester über ein Rokoko-Thema op. 33. Die anspruchsvolle Solostimme wurde von Wilhelm Fitzenhagen bearbeitet, welcher auch bei der Uraufführung in Moskau den Solopart übernahm. In einem Klavierauszug überarbeitete Fitzenhagen die Stimmen noch einmal gründlich und kam letztendlich von den ursprünglich acht Variationen zu seiner Version mit 7 Variationen.
[Bearbeiten] Édouard Lalo
Édouard Lalo komponierte 1877 sein sehr auf den tiefen Klangbereich des Cellos konzentriertes Violoncellokonzert d-Moll. Die grifftechnische Anforderungen entsprechen etwa dem Konzert von Saint- Saëns.
[Bearbeiten] Max Bruch
Max Bruchs zweiteiligem Konzertstück Kol Nidrei op.47 von 1880/1881 liegt im ersten Teil eine alte hebräische Melodie zugrunde, nach der auch das Werk benannt ist. Diese Melodie gehört zu einem der wichtigsten jüdischen Gesänge. Den zweiten Teil bestimmt eine Brahms nachempfundene Melodie in D-Dur.
[Bearbeiten] Antonín Dvořák
Nachdem ein erster Versuch eines Cellokonzertes 1865 im Stadium eines Entwurfs stehengeblieben war, verfasste Antonín Dvořák in den letzten zwei Jahren seines Amerikaaufenthaltes das glanzvolle Konzert für Violoncello und Orchester in h-Moll op. 104 (New York Ende 1894, Anfang 1895). Gewidmet ist das Stück Hanus Wihan, welcher ursprünglich die Uraufführung spielen sollte, sich aber nach zu viel unbewilligten Änderungen im Solopart mit dem Komponisten so zerstritt, dass der englische Cellist Leo Stern die Uraufführung in London spielte.
[Bearbeiten] Johannes Brahms
Das schon erwähnte Doppelkonzert für Violine und Violoncello a-Moll von Johannes Brahms entstand 1887 in Hofstetten. Brahms Hauptproblem waren bei dem Konzert allerdings nicht die Spielbarkeit, sondern der Zusammenklang von Violine und Cello. Bei diesem ungewöhnlichen Projekt befürchtete Brahms, dass die Geige mit ihrem brillanten Klang das Cello übertrumpfen könnte. Dem wirkte er zum einen durch oktavierte und sehr wirkungsvolle Dopplungen zu einer Stimme entgegen, zum anderen wurde dem Cello in allen drei Sätzen die Führungsrolle zugewiesen.
[Bearbeiten] 20. Jahrhundert
Zu wirklich angemessener Bedeutung in solistischer Hinsicht konnte das Violoncello allerdings erst im 20. Jahrhundert gelangen. Viele Kompositionen, die das Cello in seiner ganzen Vielfalt umfassen, wurden von den großen Virtuosen dieses Jahrhunderts inspiriert und sind diesen gewidmet. Allen voran sind wohl Pablo Casals und Mstislaw Rostropowitsch zu nennen.
[Bearbeiten] Technische Neuerungen und Experimente
Im 20. Jahrhundert war die Klassische Musik ständigen Veränderungen und Experimenten in stärkerem Maße als in vorangegangenen Epochen ausgesetzt. Dies ist nicht zuletzt auf die industrielle und technische Revolution und dem damit verbundenen Neuentwicklungen und Neuentdeckungen zurückzuführen. Musik konnte nun auf Tonträgern gespeichert, elektronisch verändert und bearbeitet werden. So befassen sich im 20. Jahrhundert erstmals Komponisten mit dem Violoncello in Verbindung mit Elektronik und Tonband, aber auch mit elektrisch verstärkten Celli und ähnlichen Neuerungen. Fremde Kulturen und Musikstile trafen mehr denn je aufeinander und vermischen sich miteinander. Der Unterhaltungsmarkt war zunehmend nicht mehr vom regionalen Umfeld bestimmt, sondern zunehmend international geprägt, was sich in Rundfunk und Fernsehen äußerte. Das Violoncello selbst aber erfuhr kaum Veränderungen im Vergleich zu der durch Stradivari etablierten Form.
Die Kompositionen für Violoncello im 20. Jahrhundert kategorisch zu fassen scheint schier unmöglich und würde eine Aufzählung fast aller Werke erfordern.
Ganz augenscheinlich ist beim durchforsten der Celloliteratur im 20. Jahrhundert, dass das Violoncello an Beliebtheit und Popularität in seiner Entwicklung enorm zugesetzt hat und der Violine, so erstaunlich es auch klingen mag, keinesfalls mehr nachsteht.
Die Werke für Violoncello solo, mit welchen ich die ganze Entwicklung begann zu beschreiben, sind nun fast vollkommen in den Hintergrund verschwunden. Dabei sei nicht die exponentiell angestiegene Etüdenproduktion im 20. Jahrhundert beachtet. Ganz ohne Frage sind auch einige Etüden wie die “Hohe Schule” von David Popper auch in Ihrer Virtuosität nicht zu verachten.
[Bearbeiten] Komponisten für Violoncello im 20. Jahrhundert
[Bearbeiten] Max Reger
Gegen den Abwärtstrend dieses Genres schrieb Max Reger 1915 drei Suiten für Cello solo in G-Dur, d-Moll und a-Moll. Neben Werken für Violine und Viola solo stellen diese Suiten für ihn eine intensive Auseinandersetzung mit Bachs Solowerken dar. Regers spätromantische Werke setzten im letzten Jahrhundert mit denen von Zoltán Kodálys einen neuen Ausgangspunkt für Cellokompositionen.
[Bearbeiten] Zoltán Kodály
Im gleichen Jahr der Entstehung von Regers Suiten entstand Zoltán Kodálys 30 minütige Solosonate. Diese ist in ihrer Mentalität sehr von der ungarischen Volksmusik, welche nicht zuletzt von Béla Bartók und Zoltán Kodály wiederentdeckt wurde, beeinflusst.
[Bearbeiten] Paul Hindemith
Eine Abkehr vom Romantischen stellte in einer noch deutlicheren Sprache Paul Hindemith in seiner Sonate für Violoncello Solo dar, welche kunstästhetisch in der Architektur ihre Entsprechung im Bauhausstil hat. Geprägt ist das Werk durch Dissonanzfolgen, z. B. parallele Septimen. Die Musik verlässt die Romantik und wendet sich neuen Klangerlebnissen zu, welche in den folgenden Jahrzehnten von anderen Komponisten fortgesetzt wurden.
[Bearbeiten] Dmitrij Schostakowitsch
Sehr provokativ zeigt sich die Sonate für Violoncello und Klavier op.40 (1934) von Dmitrij Schostakowitsch.
Sein Cellokonzert Nr. 1 Es-Dur op.107 von 1959 wurde allerdings ein Hit. Das Außergewöhnliche daran ist der viersätzige Aufbau, wobei der 3. Satz eine 150 Takte lange auskomponierte Solokadenz ist.
Das 2. Cellokonzert g-Moll op.126 von 1966 zählt bereits zum Spätwerk des Komponisten.
[Bearbeiten] Toshiro Mayuzumis Bunraku
Mit fremdartigen Klänge aus Japan wurde das Cellorepertoire von Toshiro Mayuzumis Bunraku angereichert. Dieser versuchte die japanischen Samisen auf das Cello zu übertragen. Samisen sind kleine japanische Zupfinstrumente mit nur drei Saiten. Wie schon erwähnt wird im Laufe des Jahrhunderts von verschiedensten Kulturen versucht ihre Musik auf dem Cello darzubieten, was nur seltener auch wirklich erfolgreich gelingt.
[Bearbeiten] Iannis Xenakis
Ziemlich Abstrakt wird es mit Iannis Xenakis, welcher in „nomos alpha“ auf alle üblichen Spieltechniken verzichtet und somit auch auf den typischen Celloklang. Komponiert wurde das Stück auf der Basis mathematischer Theorie, bzw. auf einem von ihm geschriebenen Computerprogramm. Für die Umsetzung des mit allen erdenklichen spieltechnischen Raffinessen ausgestattete Stück, bedarf es bestimmter Darmsaiten in bestimmten Stimmungen.
[Bearbeiten] Helmut Lachenmann – Pression für einen Cellisten
Alle spielästhetischen Grenzen, welche in bisherigen Umrissen beschrieben sind, werden in Helmut Lachenmanns Stück „Pression für einen Cellisten“ überschritten. Für seine Intentionen dafür wäre hier nicht Platz genug; was jedenfalls hörbar für den „Laien“ herauskommt, sind meist undefinierbare Geräusche, zu deren oft nicht unumstrittenen Erzeugungen einige spieltechnische Probleme auftauchen. Auch die nachfolgende Liste kann nicht alle Merkmale dieser „Neuen Musik“ darstellen:
- ungewöhnliche Intervallsprünge
- Kantilenspiel in sehr hohen Lagen
- Doppelgriffe (mit einem fest gegriffenen Ton und einem Flageolettton); Doppelgriffe im Flageolett
- Flageolett-Arpeggien
- Glissando mit Vibrato; Glissando mit Triller und Tremolo
- Doppelglisando (Glissando auf zwei Saiten
- Flageolett-Glisando; Flageolett-Glissando im Tremolo
- Vibrato in unterschiedlichen Geschwindigkeiten
- verschiedene Pizzicato- und Klopfvorschriften für die linke Hand:
- Saite antupfen
- mit einem Finger die Saite anschlagen
- mit den Fingern auf die Saite klopfen
- mit flacher Hand auf die Saiten schlagen
- Finger von den Saiten abziehen (Pizzicato der linken Hand)
- Saiten im Wirbelkasten anzupfen
- Verschiedene Pizzicatovorschriften für beide Hände:
- rechte Hand zupft auf dem Griffbrett (sul tasto) oder am Steg (sul ponticello)
- arpeggiando (Pizzicato in Arpeggio-Manier)
- alla chitarra (gitarrenähnlich, mit Fingern (Daumen), Fingernägeln oder auch Plektrum)
- alla mandolino (schnelle Hin- und Herbewegung mit zwei Fingern zwischen zwei Saiten)
- Balaleika-Effekt (seitlich zur Saite mit rechtem Daumen oder Plektrum an der Saite hin- und herreiben)
- Bartók-Pizzicato
- Pizzicato mit dem Fingernagel
- Saite gegen einen Fingernagel der linken Hand schnellen lassen
- Glissando-Pizzicato (Einzeltöne und Akkorde)
- Flageolett-Pizzicato
- Pizzicato fluido (Pizzicato mit der linken Hand, danach Bogenspannschraube gegen die entsprechende Saite drücken)
- Pizzicato mit beiden Händen gleichzeitig (Pizzicato einer Saite im Wirbelkasten mit linker Hand, Pizzicato einer leeren Saite vor oder hinter dem Steg mit rechter Hand)
- Scordatur (Umstimmen von Saiten)
- Kombination und sehr rascher Wechsel verschiedenster Stricharten
- drei Saiten gleichzeitig anstreichen
- Saite/Saiten von unten her anstreichen
- am Steg spielen (sul ponticello)
- auf/an dem Griffbrett spielen (sul tasto), nahtloser Übergang beider Spielweisen
- hinter dem Steg spielen (dietro il ponticello), mit großem Druck hinter dem Steg streichen
- mit der Bogenstange streichen (col legno tratto)
- Saltando mit der Bogenstange
- Glissando durch vertikale Bewegung der Bogenstange
- mit Bogenhaaren und Bogenstange gleichzeitig streichen
- Tremolo mit der Bogenstange fast auf dem Steg und Bogenhaare hinter dem Steg
- auf dem Saitenhalter streichen; mit Druck auf dem Saitenhalter streichen (Nebelhorneffekt)
- auf dem Stachel streichen (sanftes Rauschen)
- mit der Bogenstange auf die Saiten schlagen (col legno battuto)
- mit den Fingern der linken Hand auf die Zarge oder auf die Decke klopfen
- mit der flachen Hand auf den Korpus schlagen
- mit beiden flachen Händen auf die Saiten, den Korpus oder die Zargen schlagen
- mit den Fingern auf Decke oder Zarge trommeln
- mit einem Schlägel auf den Saitenhalter (Bongo-Effekt), die Zarge oder die Decke schlagen
[Bearbeiten] Weitere Komponisten
Völlig innovative Wege ging Ernst Krenek mit seiner Suite für Cello solo in der Zwölftonkomposition. Kaum zu glauben ist György Ligetis Solosonate aus seinem Frühwerk, welche noch sehr an die Tonsprache von Béla Bartók und Zoltán Kodály gebunden ist, da er später einen sehr eigenen, fast exzentrischen Charakter in seinen Kompositionen hat. Hans Werner Henze bedient sich in seiner 1949 geschriebenen Serenade für Cello solo ebenfalls der Zwölftontechnik , geht danach dann allerdings mit der Reihentechnik sehr eigen um.
Bei Zimmermanns Sonate für Cello solo fällt es äußerst schwer, auch nur seiner Kompositionsstruktur zu folgen. Im Groben sei gesagt, dass sich an Stelle der Zwölftonreihe eine Skala bildet, welche auch Vierteltöne einschließt.- Diese experimentellen Kompositionen werden, wie schon erwähnt, bei dem Cello häufiger denn je auftreten. Da unserem Ohr diese Klänge äußerst fremd erscheinen und auch ansonsten das Werk mit spieltechnischen, kaum realisierbaren Innovationen aufwartet, gilt dieses Werk mit zu den extrem Schwierigsten welche je für Violoncello geschrieben wurden.
Benjamin Brittens Solosuite greift wie auf barocke Satztypen auch auf neuklassische Stilmittel zurück. Gewidmet ist sie Mstislaw Rostropowitsch, der sie auch zur Uraufführung brachte.
Sergej Rachmaninow vertritt noch in seiner Sonate für Cello und Klavier in g-Moll, ganz den Stil des 19. Jahrhunderts. Zoltán Kodálys zweisätzige Sonate für Violoncello und Klavier ist ein expressiver Umgang mit ungarischer Volksmusik. Nah an der rumänischen Volksmusik sind Béla Bartóks Rhapsodien für Violine und Klavier, wovon er für die erste eine Fassung für Violoncello und Klavier schrieb. Die Abkehr von spätromantischen Kompositionspraktiken ist bei Anton Webern und Claude Debussy zu beobachten, wobei man bei Weberns drei kleinen Stücken op. 11 eher von einem radikalen Bruch als von einer Abkehr sprechen muss. „Ich hatte schon ganz deutlich die Vorstellung von einer größeren, zweisätzigen Composition für Cello und Klavier und begann sofort mit der Arbeit. Als ich aber ein kurzes Stück im 1. Satz hielt, wurde es mir immer zwingender klar, dass ich etwas anderes schreiben müsste. So brach ich ab, obwohl mir jene größere Arbeit gut von der Hand gegangen war, und schrieb rasch die kleinen Stücke (d.h. das erste hatte ich ja schon vorher nebst einem anderen, da ich aber verwarf), so sind diese drei Dinger entstanden. Und ich habe selten so das Gefühl gehabt, dass was gutes geworden ist.“ Claude Debussys Sonate für Cello und Klavier gehört seit all den Jahrzehnten zum festen Bestandteil unserer Celloliteratur. Dieses Stück ist geprägt von seinen konsequenten motivischen Bezügen und seiner spielerisch-virtuosen Eleganz.
Noch immer werden Gabriel Faurés Cellosonaten wegen ihrer gewissen Spröde, welche im Spätwerk von Fauré kennzeichnend ist, vernachlässigt. Paul Hindemith beschäftigte sich in seinem Gesamtwerk des öfteren mit klavierbegleitenden Cellokompositionen. Sein Spektrum reicht dabei vom englischen Kinderlied über Kompositionen aus der Tradition des 19. Jahrhunderts, bis zu extrem dissonanten Werken, welche ihm den Ruf des musikalischen Bürgerschrecks brachten. Im Frühwerk von Kurt Weill finden wir auch ein dreisätziges, an Ausdrucksmöglichkeiten reiches Werk.
Durch die ausgesprochene Gleichbehandlung von Violoncello und Klavier besticht die zweite von den drei Sonaten Bohuslav Martinus. Interessante rhythmische Experimente sind bei den Cellowerken von Elliot Carter zu entdecken. Vom Neuklassizismus ist Wolfgang Fortner keinerlei Einflüssen mehr unterlegen. Seine Werke beruhen auf mosaikartig kontrastreichen Zusammensetzungen und zeitweiligen zwölftonkompositorischen Kniffen. Inwiefern Sergej Prokofjew nach seiner freiwilligen Rückkehr in die Sowjetunion von der kommunistischen Partei anpassend beeinflusst wurde, kann nur weitläufig spekuliert werden, jedoch sind konservative Momente in seinen Werken nicht zu verkennen. Bei Benjamin Brittens klavierbegleitenden Cellowerken vereinigen sich Sonaten- wie Suiteformen. Einen enormen Sprung dagegen ist zwischen Brittens Sonate und der 6 Jahre später entstandenen Komposition „Intercommunicazione per Violoncelle e pianoforte“ von Bernd Alois Zimmermann zu beobachten. Mit diesem Stück verfolgt Zimmermann konsequent die Idee einer Zeitgeschichtsdehnung. Die Tonlängen werden hierbei graphisch mit Punkten und Strichen angegeben.
Konzertante Werke werden im 20. Jahrhundert von Alexandr Glasunows kurzem Werk „Chant du ménestrel“ im Jahre 1900 eingeleitet. In der Spätromantik ebenfalls noch verwurzelt sind Konzerte für Cello und Orchester von Ernst von Dohnányi, Paul Hindemith, Edward Elgar und Frederick Delius. Ernest Bloch war nicht bestrebt in seinem „Schelomo“ Innovationen zu setzen, sondern versuchte auf dem Cello speziell jüdische Musik zu komponieren. Arthur Honeggers (1892-1955) Cellokonzert orientiert sich an amerikanischer Schlager- und Tanzmusik. Auch Arnold Schönberg komponierte ein Cellokonzert, welches allerdings bei den Cellisten noch keinen richtigen Anklang gefunden hat. Mit Konzerten für Cello und Orchester tat sich Sergej Prokofjew ziemlich schwer. Sein Erstes wurde ein absoluter Misserfolg, sein Zweites, in der Uraufführung von Rostropowitsch gespielt, veranlasste ihn immer wieder zu Änderungen da er sich nie mit ihm zufrieden geben konnte. Krzysztof Penderecki geht bei seinem Werk über die Zwölftonreihe durch Vierteltontechnik heraus. Auch György Ligeti schrieb eine Klangfarbenkomposition für Cello und Orchester. Eine der wirkungsvollsten zeitgenössischen Kompositionen für Cello und Orchester schrieb Witold Lutoslawski. Neu hinzugekommen sind, wie schon erwähnt, Stücke für Violoncello und Tonband, Violoncello und elektronisches Equipment, Violoncello und Perkussion und für Violoncello/Violoncelli in Kombination mit menschlicher Stimme, wie z.B. u.a. Hans Werner Henzes Kantate „Being Beauteous“ für Koloratursopran, Harfe und vier Violincelli und das Requiem „Wolkenloses Christfest“ für Bariton, Violoncello und Orchester von Aribert Reimann.