Raoul Wallenberg
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Raoul Wallenberg (* 4. August 1912 in Kappsta bei Stockholm; Schicksal nur bis Mitte 1947 bekannt) war ein schwedischer Diplomat.
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[Bearbeiten] Herkunft und Familie
Raoul Wallenberg wurde in Kappsta als Sohn des schwedischen Marineoffiziers Raoul Oscar Wallenberg (1888 – 1912) und Maria „Maj“ Sofia Wising (1891 – 1979), die auch jüdische Vorfahren hatte, geboren. Vater Raoul Wallenberg, Angehöriger der berühmten schwedischen Bankiers- und Unternehmerfamilie, starb drei Monate vor der Geburt seines Sohns an Krebs. Sein Großvater väterlicherseits war ebenfalls schwedischer Diplomat. Sechs Jahre nach dem Tod ihres ersten Ehemanns heiratete seine Mutter 1918 erneut. Fredrik von Dardel wurde Wallenbergs Stiefvater. Aus dieser Ehe ging seine Halbschwester Nina hervor, deren Tochter heute mit Kofi Annan verheiratet ist.
[Bearbeiten] Ausbildung und Beruf
1931 ging Wallenberg in die USA, um Architektur zu studieren, dass er auch 1935 mit einem Bachelor-Examen an der University of Michigan abschloss. Er erlernte auch Russisch. Nach seiner Rückkehr nach Schweden arrangierte sein Großvater einen Job in Kapstadt, Südafrika für ihn, wo er für ein schwedisches Unternehmen arbeitete, das Baumaterial verkaufte. Im gleichen Jahr wechselte er zur Niederlassung einer holländischen Bank in Haifa, wo er sich mit einem ungarischen Juden befreundete. 1936 kehrte er nach Schweden zurück, um bei der Central European Trading Company zu arbeiten. Diese Firma gehörte einem Juden namens Lauer, der in die von Nazis besetzten oder kollaborierenden Teile Europas nicht reisen konnte, weshalb sich Wallenberg anbot, an seiner Statt zu reisen. Dort lernte Wallenberg die Nazis und den besten Weg des Umgangs mit ihnen kennen.
[Bearbeiten] Holocaust
Wallenberg war ungeheuer schockiert von der durch deutsche Nazis organisierten und durch ungarische Kräfte ausgeführten Judendeportation. Durch den Einfluss seiner Familie, einer der reichsten Schwedens, war es ihm möglich, am 9. Juli 1944 als erster Sekretär der schwedischen Gesandtschaft mit Unterstützung des US-War Refugee Boards nach Budapest zurückzukehren, um mit Unterstützung der schwedischen Regierung Maßnahmen zur Rettung der dortigen Juden anzustreben. Seine Regierung hatte ihm eine von einem schwedischen Diplomaten in Ungarn erstellte Liste mit ca. 800 ungarischen Personen mit Beziehungen zu Schweden mitgegeben, deren Aufnahme Schweden garantierte.
Wallenberg verteilte unter dem Schutz seines diplomatischen Status sogenannte schwedische Schutzpässe. Diese Dokumente identifizierten die Inhaber als schwedische Staatsbürger, die ihre sichere Repatriierung erwarteten. Ähnliche Dokumente wurden auch von der Schweiz und dem Vatikan ausgestellt. Obwohl sie keine völkerrechtlich verbindliche Bedeutung hatten, wurden sie von ungarischen und deutschen Behörden anerkannt, wenn auch gelegentlich mit Bestechung nachgeholfen werden musste. Wallenberg organisierte die Unterbringung seiner Schützlinge in über 30 Schutzhäusern, wobei er sich Tarnungen, wie „Schwedische Bibliothek“ oder „Schwedisches Forschungsinstitut“ einfallen ließ und die Gebäude mit schwedischen Flaggen dekorierte. Die schwedischen Schutzhäuser bildeten zusammen u. a. mit denen Spaniens ein internationales Ghetto um die Große Synagoge in Budapest, in dem sich etwa 30.000 Menschen befanden. Wallenberg gelang es mit anderen Diplomaten auch dank amerikanischer Dollars, die große Zahl seiner Schützlinge zu versorgen, richtete in jedem Haus eine Krankenstation ein und bewahrte sie so vor dem sicheren Tod. Dagegen konnte Wallenberg den mehr als 80.000 Juden, die im auf Befehl des ungarischen Ministerpräsidenten Ferenc Szálasi im November 1944 in Budapest errichteten Ghetto zusammengepfercht waren, nur durch Lieferung von Lebensmitteln u. ä. helfen.
Adolf Eichmann drohte, obwohl dazu weder in der Lage, noch befugt, den Judenhund Wallenberg erschießen zu lassen. Dies führte zu einem offiziellen Protest Schwedens. Internationaler Druck auf das ungarische Staatsoberhaupt, Reichsverweser Admiral Miklós Horthy bewirkte die zeitweilige Unterbrechung der Deportationen, bis die Wehrmacht am 19. März 1944 Ungarn besetzte und Horthy nach seiner Ankündigung eines Waffenstillstands und Ungarns Neutralität gegenüber der Sowjetunion durch Ferenc Szálasi ersetzte. Als Eichmann im November 1944 wegen mangelnder ungarischer Transportkapazitäten eine große Zahl von Juden auf Todesmärschen zu Fuß ohne Essen, bei Nacht ohne Dach über dem Kopf und zerlumpt bzw. fast barfuss zur österreichischen Grenze treiben ließ, verteilte Wallenberg u.a. Essen und fragte nach Inhabern schwedischer Schutzpässe. Durch sein entschlossenes Auftreten und durch ein Abhaken auf imaginären Listen erweckte er gezielt den Eindruck, diese Menschen besässen schwedische Schutzpässe, die ihnen daraufhin erst handschriftlich ohne Stempel, Bild oder Autorisierung ausgestellt wurden. Auf diese Weise gelang es Wallenberg, etwa 200 der Unglücklichen auf von ihm organisierten Lastwagen zurück nach Budapest zu bringen.
In den letzten Wochen bis zur Befreiung Budapests durch die Rote Armee Mitte Januar 1945 ermordeten Angehörige der Pfeilkreuzler auf grausame Weise völlig willkürlich noch zwischen 10.000 und 20.000 Ghettobewohner. Die Pfeilkreuzler verschleppten immer wieder Juden aus dem Ghetto an die Donau, wo sie sich vor ihrer Erschießung im bitterkalten Winter ausziehen mussten. Wallenberg gelang es durch sein entschiedenes Auftreten, Menschen vor dem sicheren Tod zu retten, in dem er behauptete, sie seien Inhaber schwedischer Schutzpässe und erzwang sogar die Rückgabe ihrer Kleidung. Etwa 70.000 Juden haben im Budapester Ghetto überlebt. Kurz vor der Befreiung des Allgemeinen Ghettos soll dessen Zerstörung geplant gewesen sein. Ein Verbündeter Wallenbergs soll daraufhin dem deutschen General Gerhard Schmidthuber zwei Tage vor dem Einrücken der Roten Armee gedroht haben, falls dieser entgegen Hitlers ausdrücklichem Befehl die Zerstörung und die Judendeportationen nicht verhindere, werde Wallenberg dafür sorgen, dass dieser als Kriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen werde. Von den etwa 800.000 Juden, die vor dem Krieg in Ungarn lebten, überlebten etwa 204.000 den Holocaust bei Einmarsch der Roten Armee.
[Bearbeiten] Sowjetunion
Wallenberg wollte sich auch nach der Eroberung von Budapest durch die Rote Armee weiterhin für seine Schützlinge einsetzen. Auf dem Weg nach Debrecen wurde Wallenberg jedoch nach Moskau verschleppt. Zunächst bestätigte eine russische Stelle gegenüber dem schwedischen Gesandten in Moskau, dass Wallenberg in Obhut der Roten Armee sei, was dieser sofort nach Stockholm und an die Familie Wallenberg weiterleitete. Ein Spion des NKWD in der schwedischen Gesandtschaft in Budapest hatte jedoch durch seine Berichte den Eindruck erweckt, Wallenberg arbeite als amerikanischer Spion. Die damalige US-Regierung weigerte sich, dies zu bestätigen oder zu verneinen. Wallenbergs Halbbruder, der über guten Kontakte zur sowjetischen Gesandten in Stockholm während des Krieges verfügte, scheiterte beim Versuch, sich für Raoul Wallenberg einzusetzen, weil die sowjetische Botschafterin, die persönlich über gute Beziehungen zu Stalin verfügt hatte, selbst nach Moskau zurückberufen worden war.
1993 wurde der Haftbefehl bekannt. Kein geringerer als der Vize-Verteidigungsminister Bulganin hatte am 17. Januar 1945 angeordnet, dass Wallenberg nach Moskau zu bringen war. Zusammen mit seinem Chauffeur Langfelder wurde Wallenberg in das NKWD-Gefängnis Lubjanka gebracht. Nach Aussagen von Mitgefangenen verdächtigte man Wallenberg der Spionage. Seine Herkunft aus einer schwedischen Familie der Bourgeoisie machte ihn Stalin und dem NKWD ebenfalls verdächtig. Später wurde er zwei Jahre im Lefortovo-Gefängnis in Moskau gefangengehalten. Bis Anfang 1947 ist bekannt, in welchen Zellen und Gefängnissen sich Wallenberg befand. Dannach herrscht Unklarheit.
Lange Zeit leugnete die Sowjetunion, dass Wallenberg sich in der Sowjetunion befand. Am 6. Februar 1957 behaupteten die Sowjets unter internationalem Druck in der Gromyko-Note, Raoul Wallenberg sei vermutlich am 17. Juli 1947 in der Lubjanka einem Herzinfarkt erlegen. Der Totenschein war vom Leiter des Krankenreviers in der Lubjanka, Smoltsow, unterzeichnet und an den sowjetischen Staatssicherheitsminister Viktor Abakumow gerichtet. Es gab keine Erklärung, weshalb Wallenbergs Tod nicht bereits früher bekannt gegeben worden war. An diesem Todestag hält auch Russland weiterhin fest, ohne dafür stichhaltige Beweise vorlegen zu können.
Die schwedische Ärztin Prof. Svartz erfuhr anlässlich eines Medizinerkongresses im Januar 1961 von einem sowjetischen Kollegen, Prof. A. L. Mjasnikow, Wallenberg befinde sich in einer Nervenheilanstalt. Mjasnikow leugnete später jedoch auf höchste Anweisung, derartige Äußerungen getätigt zu haben. Die schwedische Regierung wurde heftig für ihr Verhalten im Fall Wallenberg kritisiert. Eine Reihe von Zeugenaussagen wollen Wallenberg noch 1981 in sibirischen oder russischen Lagern gesehen haben. Insassen des GULAG-Systems, die dank der Perestroika frei kamen, behaupten, einen Ausländer, dessen Beschreibung auf Wallenberg passt, noch 1990 gesehen zu haben. Der ukrainische Aktivist Josyp Terelya, der von den Sowjets wegen seines Nationalismus und Katholizismus eingesperrt war, schrieb eine Autobiographie, in der er äußerte, Mithäftling von Wallenberg zu sein. Er malte ihn und widmete ihm einen bedeutenden Teil seiner Autobiographie, der großen Einfluss auf ihn gehabt habe.
1989 gab die sowjetische Seite der Familie Wallenberg seine Kleidung, sein Geld, sein Tagebuch und seinen Pass zurück. Im Januar 2001 hat der schwedische Teil einer schwedisch-russischen Arbeitsgruppe erklärt, der Tod Raoul Wallenbergs sei keinesfalls erwiesen. Die russische Seite verdeutlichte, dass von sowjetischer Seite in den ersten Jahren nach Wallenbergs Gefangennahme ein Austausch Raoul Wallenbergs für möglich gehalten wurde. Die schwedische Seite habe darauf nicht reagiert. Es wurde auch spekuliert, dass Wallenberg dank seiner hervorragenden Stellung über eine unglaublich große Zahl für die sowjetische Spionage wichtiger Verbindungen verfügt habe.
Wallenberg wurde für seine Rettungstätigkeit u. a. von der Gedenkstätte Yad Vashem als Gerechter unter den Völkern ausgezeichnet, und er wurde von Israel, den USA und Kanada zum Ehrenbürger ernannt. 1995 erhielt er postum den Europäischen Menschenrechtspreis des Europarates. An der Großen Synagoge in Budapest wurde eine Gedenktafel zu Ehren von Wallenberg angebracht.
[Bearbeiten] Siehe auch
- Giorgio Perlasca
- Angel Sanz Briz
- Carl Lutz
- Ernő Szép
[Bearbeiten] Literatur
- Berger, Susanne (2005);"Stuck in Neutral: The Reasons behind Sweden's Passivity in the Raoul Wallenberg Case"; www.raoul-wallenberg.asso.fr
- John Bierman: Raoul Wallenberg. Der verschollene Held. München: Hanser, 1982. ISBN 3446135286
- Gann, Christoph: Raoul Wallenberg. So viele Menschen retten wie möglich. C.H. Beck 1999 ISBN 3-406-45356-2 (auch: dtv 2002 ISBN 3-423-30852-4)
[Bearbeiten] Film
- Der Fall Raoul Wallenberg. Dokumentation von Klaus Dexel. Deutschland, 2005. 88'13", Bayerischer Rundfunk
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Raoul Wallenberg im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biographie bei Shoa.de
- Raoul Wallenberg Komitee Deutschland e.V.
- The International Raoul Wallenberg Foundation
- http://www.raoul-wallenberg.de
- Holocaust Memorial Budapest, testimony from the family Jakobovics in 1947
- Witness: "Karoly Szabo played a determining role among Wallenberg’s supporters"
Personendaten | |
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NAME | Wallenberg, Raoul |
KURZBESCHREIBUNG | Schwedischer Diplomat |
GEBURTSDATUM | 4. August 1912 |
GEBURTSORT | Kappsta |